Folgender Bericht ist ein Auszug aus dem Artikel, den Wolfgang Kress im Jahr 2000 anläßlich des hundertjährigen Geburtstags der Schwabschule veröffentlicht hat.
Wolfgang Kress zeichnet für die grossen Artikel des „West-Blättle“ (Herausgeber: Hans Rigotti) verantwortlich. Das „Blättle“ verdankt seine Beliebtheit unter anderem den kenntnisreichen Artikeln des Herrn Kress, der mit großem Gespür manche Geschichte der neueren oder älteren Institutionen oder Persönlichkeiten des Stuttgarter Westens nachzeichnet und so auch alteingesessenen Westlern ihren Stadtteil auf zuweilen überraschende Weise nahebringt.
Wir danken Herrn Kress für seine Erlaubnis, diesen Artikel hier in gekürzter Form wiedergeben zu dürfen. Eventuell verbliebene Fehler in diesem Text liegen bei uns.
Das Herz des Westens: Die Schwabschule hat viele Gesichter
An der Ecke Schwab- und Bebelstraße steht das mächtige Gebäude der Schwabschule, in dem viele Generationen von Kindern aus dem Westen ihre ersten Versuche in Rechnen, Schreiben und Lesen unternommen haben. Wer das Gebäude genauer anschaut, wird zwei Jahreszahlen entdecken: Oben am Giebel steht „Erbaut 1900“ und unten an einer Tür „Anno 1901“, dabei wurde das Schulgebäude im Jahr 1902 eingeweiht.
Spätestens seit 1895 war klar, dass der Westen weiteren Schulraum, ein neues Schulgebäude, brauchte. Die Rosenbergschule konnte nur ein Provisorium sein und Klassen konnten nicht auf Dauer in angemieteten Räumen oder in anderen Schulhäusern sein untergebracht werden. Weil die Stadt Volksschulen selbst bezahlen musste, war überlegt worden, die Johannesschule um ein Stockwerk zu erhöhen. Doch hätte das nicht ausgereicht, weshalb ein Neubau für eine evangelische und eine katholische Volksschule geplant wurde. Hier sollten auch Klassen der Elementarschule einziehen, denn von der Elementarschule, Kanzleistr. 13, waren zwei Klassen in die Rosenbergschule und das Johannesgemeindehaus ausgelagert worden. Die Städtische Elementarschule war eine 1817 gegründete Vorschule für Gymnasium und Realschule.
Ende September 1899 wurden die Mittel für den Schulhausbau genehmigt, im Juni 1900 erfolgte die Grundsteinlegung. Die Klassen der neuen Schule erwarteten sehnlichst den Umzug. Bereits im September 1901 konnten die Katholischen Volksschulklassen Räume im Erdgeschoß des Gebäudes beziehen, die anderen Klassen folgten ein Jahr später nach Ende der Bauarbeiten. Am 5. Mai 1902 wurde die Schwabschule eingeweiht: Oberbürgermeister Gauß bezeichnete das neue Schulhaus, in dem katholische und evangelische Schüler ausgebildet wurden, als „Sinnbild des Friedens der beiden Konfessionen“.
Bereits 1907 wurde die Schwabschule durch einen Anbau hufeisenförmig um 17 Klassenzimmer, einen Zeichensaal und 3 Lehrerzimmer erweitert. Gleichzeitig wurden die Schüleraborte, die vorher unter der Turnhalle, bzw. im Untergeschoß des Hauptgebäudes lagen, auf die Stockwerke verlegt, was sicherlich die Rückkehr in den Unterricht beschleunigte. Die Kosten betrugen 239.000 Mark, also fast 2/3 der Baukosten des Schulgebäudes.
Im Anbau richtete die Stadt eine Mittelschule ein: Kurz vor dem Ersten Weltkrieg gehörten zur Schwabschule als Volksschule 14 evangelische Klassen mit 343 Knaben und 335 Mädchen sowie katholische Klassen mit schätzungsweise 300 Schülern (hier gab es auch gemischte Klassen) und außerdem im Neubau der Schule 17 Klassen Mädchenmittelschule mit 697 Schülerinnen, also insgesamt rund 1700 Schüler. Auch eine Schulküche war eingerichtet worden: Wer nach vier Jahren Volksschule entlassen wurde hatte noch zwei Jahre lang die Fortbildungsschule, wöchentlich einmal von 17 – 19 Uhr, zu besuchen. Weil bei Knaben die Berufsschulpflicht griff, waren es zumeist Mädchen, die hier unterrichtet wurden: im 1. Jahr noch wissenschaftlich, danach nur noch im Koch- und Haushaltungsunterricht. Der Dachstock der Schwabschule wurde 1910 ausgebaut.
Um 1927 wurde die Schwabschule erneut zu Baustelle: Das Schulhaus wurde komplett erneuert, der Neubau wohl auch vergrößert und als „Neue Schwabschule“ bzw. seit 1930 „Bismarckschule“, Bismarckstr. 30, zur eigenständigen Schule. Im Jahr 1929 nennt das Stuttgarter Adressbuch unter Schwabschule, Moltkestr. 17, noch beide Gebäude. Doch 1929/30 wurde die Schwabmittelschule, da allgemein in den Mittelschulen die Schülerzahlen stark zurückgegangen waren, mit der Lerchenrainmittelschule zur Schickhardtmittelschule vereinigt. Die Schwabvolksschule wurde nun auf beide Gebäude verteilt, wobei die konfessionelle Trennung befestigt wurde: die Schwabschule wurde zur katholischen Volksschule, die Bismarckschule zur evangelischen Volks- und Fortbildungsschule.
Im Dritten Reich fiel 1936 diese konfessionelle Trennung zugunsten der Deutschen Schule weg. Die Schwabschule, die vier katholische Klassen behielt, und die Bismarckschule, die am 20. September 1936 zur Moltkeschule umbenannt wurde, umfassten jetzt den gleichen Schulbezirk, wobei Mädchen in die eine, Buben in die andere Schule kamen.
Nach dem Krieg belegten Tunesier die Schule, dann galt es für Lehrer und Schüler das Schwabschulgebäude aufzuräumen, bis 1949 war es wieder instandgesetzt, doch das Türmchen blieb verloren. Den Kindern fehlte jetzt vor allem Kleidung, der Schule vom Stift bis zum Lehrbuch alles. Mehrere Schulen teilten sich das Gebäude mit Schichtunterricht, bis die zur Friedensschule gewordene Moltkeschule wieder in ihr eigenes Schulhaus umziehen konnte und die Schüler der Johannesschule mitnahm. Seit 1955 gab es gemeinsam mit der Friedensschule eine Turnhalle, 1972 konnte die eigene wieder eröffnet werden.
Nach mehrfachen Veränderungen ist die Schwabschule heute eine reine Grundschule. Rektorin Evelyn Thielmann unterrichtet mit 30 Lehrerinnen und Lehrern insgesamt rund 460 Schulkinder in 20 Klassen und 2 Förderklassen. Ob Mädchen oder Buben, ob katholisch, evangelisch, islamisch – heute ist alles gemischt. In 105 Jahren hat sich viel geändert, Schüler, Lehrer und Lehrmethoden, doch der Wunsch „Hoffentlich läutet es bald zum Unterrichtsende!“ ist immer noch der gleiche geblieben.
(Nach einem Artikel von Wolfgang Kress im Westblättle, Juli 2000)